Das Glitzern der Welt - Eine Weisheitsgeschichte

Hast du auch öfters Angst, etwas zu verpassen?

Kennst du das Gefühl, ständig auf dein Handy zu schauen, durch Social Media zu scrollen und trotzdem das Gefühl zu haben, nicht genug mitzubekommen? Vielleicht sitzt du auf der Couch, während deine Freunde scheinbar aufregende Dinge erleben – und du fragst dich: Verpasse ich gerade etwas? Diese nagende Unsicherheit hat einen Namen, wie ich heute entdeckt habe.

Diese Angst, etwas zu verpassen, nennt sich FOMO – Fear of Missing Out.

In einer Welt, die rund um die Uhr vernetzt ist und in der ständig Neues passiert, ist FOMO fast schon zur Normalität geworden. Ich sehe dauernd tolle Bastel-Ideen und denke mir oft:

Oh, das wäre wundervoll für einen Flausenbrief.

Dann wieder sehe ich online Menschen, die super schnell einen Roman zaubern können, und denke mir so, oh, das wäre auch toll.

Aber mein Tag hat nun mal nur 24 Stunden, und ein bisschen Schlaf brauchen wir ja auch noch. Hach…

Diese Angst, etwas zu verpassen, ist tief in uns verankert (zum Glück nicht nur in mir. Das beruhigt mich ein wenig ;)

Diese Angst macht uns unruhig, lässt uns vergleichen, treibt uns oft an Orte, an denen wir eigentlich gar nicht sein wollen.

Und irgendwie ist da ein blinder Fleck für die Dinge, die schon da sind, die uns glücklich machen, wenn wir sie nur wahrnehmen würden.

Auch der Spatz in der folgenden Geschichte hat FOMO, oder eben Angst, etwas zu verpassen. Aber zum Glück gibt es die weise Eule Eulula, die ihm helfen kann…

Viel Spaß bei der kleinen Weisheitsgeschichte zum Thema: Angst, etwas zu verpassen:

 

Das Glitzern der Welt

In einem uralten Wald lebte die weise, wenn auch nicht ganz so alte Eule Eulula. Nachts saß sie auf einem hohen Ast und beobachtete die Welt um sich herum. Eines Abends kam ein junger Spatz zu ihr geflattert, ganz aufgeplustert und zerzaust.

„Eulula! Du sitzt hier so seelenruhig und entspannt herum. Und ich weiß nicht, wo ich zuerst hinfliegen soll“, zwitscherte der Spatz, „Jeden Tag passiert irgendwo etwas Spannendes: Dort ist ein Fest, da fliegt ein Schwarm gen Süden, woanders entdecken andere Vögel reife Beerensträucher – und ich will überall dabei sein! Was, wenn ich das Beste vom Tag verpasse. Machst du dir darüber hier oben denn keine Gedanken?“

Eulula drehte den Kopf zu dem jungen Spatz und fragte dann ruhig:

„Hast du heute schon was gegessen?“

„Oh ja, ein paar köstliche Brombeeren!“, sagte der Spatz stolz.

Die Eule nickte.

„Hast du denn auch mit Freunden gesprochen?“, fragte sie weiter.

„Oh ja, mit der Amsel und dem Buntspecht.“, erzählte der Spatz.

Wieder nickte die Eule.

„Und hast du heute auch etwas Neues entdeckt oder gelernt?“

„Oh ja”, sagte der Spatz, „Ich habe entdeckt, dass der Wind in der großen alten Kiefer so schön singt, wenn ich genau hinhöre. Dort ist mein neuer Lieblingsplatz.“

Eulula sah dem Spatz jetzt geradewegs in die Augen.

„Dann hast du nichts verpasst, sondern alles erlebt, was wirklich zählt.“

Der Spatz sah sie verwundert an.

„Auch, wenn ich nicht überall war? Es gibt doch noch so viel mehr!“

Die Eule drehte nachdenklich den Kopf hin und her.

„Niemand kann überall sein. Du nicht. Ich nicht. Der Habicht nicht. Und die Feldmaus auch nicht. Wer immer nur dem Glitzern der Möglichkeiten hinterherjagt, sieht nie den Schatz, auf dem er bereits sitzt.“

Der Spatz schwieg eine Weile. Er dachte an die alte Kiefer. Sie war wirklich ein Schatz.

„Hast Du Lust, dem Lied der Kiefer mit mir zusammen zu lauschen?“, fragte er daher Eulula.

Diese nickte. Es war nicht weit bis dort hin.

Ein Taubenpärchen saß schon dort und kuschelte sich aneinander.

Eulula und der Spatz setzten sich auf einen freien Ast und hörten dem Baum zu.

Der säuselte und pfiff auf seine ganz eigenen Weise.

„Da hast Du wirklich einen Schatz entdeckt“, sagte Eulula leise, um den Baum nicht zu stören.

Der Spatz zwitscherte. „Aber ohne Dich, wäre es mir gar nicht aufgefallen“.

2025, A. Voge

 

Manchmal funkelt das Wertvollste genau dort, wo wir sitzen.

Dieser rauschende und singende Baum in der Geschichte, den gibt es übrigens wirklich.

In unserem Garten steht er.

Und Mensch muss leise sein, um ihm zuzuhören.

Vielleicht verrät er mir dann noch mehr solche Geschichten.

 

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